Digest zum Vierten Netzwerktreffen am 19.03.25
(19. März 2025) Am 19. März 2025 traf sich das Netzwerk ‘GameLabs an Hochschulen’ zum vierten Mal. Prof. Dr. Dr. Stefan Höltgen und Prof. Dr. Patrick Vonderau luden uns zum Circuit Lab an die Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg ein.
Auf der Agenda für das Treffen standen Vorstellungen von sechs Forschungslaboren bzw. -projekten und Diskussionen über Best Practice-Beispiele im Umgang mit Finanzierungen, Kaufmodalitäten und Lizenzverträgen, sowie die bevorstehende Gründung der Gesellschaft für Spielwissenschaften und einem Bericht vom Scoping Workshop ‘Ludic Thinking’.
Nach dem Bericht der Koordinationsgruppe und der Wahl bzw. Absprache für die neue Koordination des Netzwerks, stiegen wir in die Vorstellung der sechs Labore ein.
1) gamelab.berlin – Christian Stein
Zum Einstieg stellt uns Christian Stein das gamelab.berlin vor, das er im Rahmen des Exzellenzcluster ‚Matters of Activity‘ an der Humboldt Universität koordiniert. Gegründet wurde das gamelab.berlin 2014 als Arbeitsgruppe und hat als einziges Projekt das damalige Cluster überdauert. In seiner Ausrichtung liegt der Fokus auf der Enticklung und Durchführung von Projekten, die Praxis- und Forschungsbezug haben, aber keine Lehre beinhalten.
Die bisher umgesetzten bzw. laufenden Projekte umfassen ‚Mein Objekt‘, eine Art Dating-App für Museumsaustellung über die Besucher:innen mit den Ausstellungsstücken matchen und chatten können, um spielerisch mehr über sie zu erfahren; ‚Stretching Materialities‘ stellt eine prozessuale VR-Kunst-Installation dar, die sich kontinuierlich verändert und den virtuellen und physischen Raum zusammenführt, um somit Perspektiven clashen zu lassen; mit EXGAVINE werden VR-Spiele zur Therapie neurologischer Erkrankungen entwickelt und getestet.
Alle Projekte werden dabei von Forschungsanliegen begleitet und werden – soweit möglich – als Open Source-Code über Repositorien bereitgestellt. Alle Projekte sind dabei als solche zeitlich begrenzt finanziert, womit das gamelab.berlin ebenfalls als Projekt auf keine stetige Finanzierung zurückgreifen kann.
2) Digital Area Studies Lab Regensburg – Sebastian Richter
Das Digital Area Studies Lab (DAS|LAB) ist am DIMAS, dem Department für Interdisziplinäre und Multiskalare Area Studies, verankert und trägt dementsprechend eine interdisziplinäre Lehrverpflichtung. Die jeweils aktuellen Projekte können auf der Webseite des DAS|LAB eingesehen werden.
Die von Sebastian Richter vorgestellten Projekte reichen von einem Wissenschaftsvermittlungslabyrinth durch die Universität Regensburg (umgesetzt in Ren’Py) über ‚Voices‘, einer Herangehensweise an problematische Körperbilder, die das Thema ohne grafische Darstellung ausschließlich über Text behandelt, bis hin zur Untersuchen der Kommunikation zwischen VR und Non-VR Umgebungen.
Die beispielhaften Lehrprojekte drehen sich dabei um das in Bayern-angesiedelte ‚Pentiment‘ und ‚Disco Elysium‘, die Studierenden die Möglichkeit bieten, die Spiele aus verschiedenen Blickwinkeln zu bearbeiten.
Das DAS|LAB versteht sich als diskursives Lab und stellt in einem Raum den Zugang zum Gegenstand Computerspiel bereit, unterhält die entsprechenden Account bei digitalen Distributoren und betreut die Projekte und Lehrveranstaltungen.
3) Game-Photo-Lab / Neue Alte Bilder – Timo Schemer-Reinhard
Timo Schemer-Reinhard stellte uns sein Game-Photo-Lab vor, ein Praxisseminar in dem er mit Studierenden den Gegenstand ‚Foto‘ über In-Game-Fotografie erschließt und die Differenzen von Screenshot und Foto auslotet.
Im Seminar selbst spielen die Studierenden ‚Red Dead Redemption 2‘, das in seiner Entwicklung von der Naturmalerei-Ästhetik beeinflusst wurde und grafisch so fortgeschritten und realitätsnah dargestellt wird, dass es teilweise auf den ersten Blick nicht von einer Fotographie unterschieden werden kann.
In einem weiteren Schritt bereiten die Studierenden die im Spiel erstellten Screenshots so auf, dass sie diese über die Technik der Cyanotypie auf ebenfalls zuvor vorbereitetes Papier übertragen. Die so entstehenden Fotografien können als neue alte Bilder bezeichnet werden.
4) XSpace Game Lab – Michael Mosel
Im XSpace GameLab der UB Marburg , stellt Michael Mosel nicht nur den grundlegenden Zugang zum Gegenstand Computerspiel her, sondern versucht ebenso über Events möglichst alle Studiengänge anzusprechen.
Diese reichen von Autorenlesungen, thematischen Spieleabenden, Media Jams oder einer ersten Heranführung an die Spielentwicklung. Dabei gestaltet sich der administrative Aufwand sehr unterschiedlich und erstreckt sich von wenigen Wochen bis hin zu mehreren Jahren Vorbereitungszeit.
5) Level Up – Sina Roggenkamp & Stephanie Lotzow
Nachdem Stephanie Lotzow bei unserem letzten Treffen die ‚Level Up‘-Initiative zur Computerspielentwicklung selbst vorgestellt hat, gewährte sie und zusammen mit Sina Roggenkamp einen konkreten Einblick in das Spielprojekt ‚Merchants of Instanbul – Eine Reise durch das Osmanische Reich‘.
Dabei unterstützt eine Professorin aus dem Bereich der Critical History / Südosteuropäische Geschichte die Entwicklung des für die Lehre ausgelegten Open Source-Projekts. Inhaltlich werden mit einer Handelskarawane fünf verschiedene Städte entlang historischer Handelsrouten bereist. In den Städten muss gehandelt werden, was über kleine Minispiele umgesetzt wurde, um mit möglichst großem Profit weiterziehen zu können.
Als Grundlage für die Darstellung und die Inhalten dienen einerseits Primärquellen, die im Spiel aufbereitet eingesehen werden können und sollten, und andererseits auf historischen Miniaturmalereien, zeitgenössischen Bildquellen sowie aktuellen topographischen Begebenheiten der dargestellten Regionen.
Ausschlaggebend für die Entwicklung von ‚Merchants of Instanbul‘ war das mangelnde Wissen der Studierenden sowie deren vermehrt eurozentristische Perspektive auf die Thematik, die über das Spiel erweitert werden soll.
Ebenso wurde das in Ren’Py (Python) entwickelte Spiel bereits international positiv aufgenommen, wodurch ‚Level Up‘ entsprechende Kooperationen und eine Internationalisierung (weitere Sprachen) prüft. Darüber hinaus steht eine Erweiterung der Inhalte des Spiels im Raum, um den Studierenden noch weitere seminarbegleitende Inhalte bereitzustellen.
6) Circuit Lab Rundgang – Sarah Bashir
Beim Rundgang durch das Circuit Lab konnten wir die Hardware-Sammlung begutachten, die aus Schenkungen und Leihgaben besteht. Das Ziel des Circuit Lab liegt darin, alte Hardware erfahrbar zu machen und an dieser die Zusammenhänge zwischen Hardware und Software zu erklären und verständlich zu machen.
Dabei stellt sich das Circuit Lab der Herausforderung, seinen Ansatz praktisch in die Lehre zu integrieren. Ebenso erfährt es weder finanziell noch institutionell große Unterstützung, was die Instandhaltung, den Ausbau und die Konsolidierung erschwert.
Bericht über den Scoping Workshop ‘Ludic Thinking’
Peter Podrez und Timo Schemer-Reinhard berichten über den Scoping-Workshop ‘Ludic Thinking’, der durch die VW-Stiftung gefördert wurde. Hier ging es darum, sehr allgemein herauszufinden, was Spieleforschung kann und braucht.
Über zwei Tage wurde gemeinsam diskutiert und gearbeitet mit Ergebnis, dass ‚Ludic Thinking‘ als Forschungsmethode, Vermittlungsform, (kulturelle) Praxis sowie als grundlegender Zugang zur Welt verstanden werden kann. Ebenso entstand der Konsens gegen eine Engführung des Begriffs ‚Spiel‘ und verschiedener Spielformen vorzugehen, da ein Spiel bspw. Inhalt, Botschaft, Gegenstand, Kontingenzbewältigung oder Intervention sein kann.
Der Workshop mündete in einem zwölfseitigen Positionspapier, das in Paidia veröffentlicht wurde und auf der Webseite des Journals einsehbar ist.
Diskussion über Gesellschaftsgründung ‘Gesellschaft für Spielwissenschaften’
In unserer Diskussion ging es hauptsächlich um die Satzung sowie um Berichte von denjenigen unter uns, die auf den vorbereitenden Treffen zur Gesellschaftsgründung waren. In diesem Zuge ging es ebenso um unser eigenes Positionspapier und wie wir als Netzwerk mit dem Dachverband zusammenarbeiten können.
Best Practice-Beispiele zu Finanzierung, Kaufmodalitäten und den Umgang mit EULAs
In diesem Teil unseres Treffens gab es einen Austausch über den Umgang mit der Beschaffung von digitalen Spielen. Im Kontext von öffentlichen Einrichtungen schienen in den vorigen Treffen immer wieder unterschiedliche Vorgehensweisen und Möglichkeiten durch, wie die verschiedenen Lab-Manager:innen an ihren jeweiligen Institutionen mit der Beschaffung umgehen konnten.
1) UB Marburg
Michael Mosel stellt sein Vorgehen an der Universitätsbibliothek Marburg vor. Dabei ging es einerseits um die gesetzlich erlaubte Nutzung von Computerspielen im Kontext von Lehre (zu 100% erlaubt) und Forschung (darf nur 15% des Werkes vervielfältigt werden) laut dem Urheberrechtsgesetz. Andererseits um das Vorgehen bei der Katalogisierung der Spiele. Hier wird alles in einem Handapparat des GameLab gesammelt, was bei der Katalogssuche direkt einen werbenden Effekt hat.
Bei der Auswahl der digitalen Spiele steht die rechtliche Absicherung im Vordergrund. Da es für digitale vertriebene Spielelizenzen vorwiegend Lizenzen für den privaten Gebrauch gibt, versucht Michael Mosel die Rechtinhaber:innen ausfindig zu machen und diese nach einer Erlaubnis für die Verwendung der Privatlizenzen im Rahmen einer Bibliothek zu fragen.
Dabei sucht er nach Kontaktmöglichkeiten über Webseiten, LinkedIn, anderen Social Media Plattformen und versucht bspw. auf der gamescom Publisher ausfindig zu machen. Ebenso steht er mit der Rechtsabteilung der Universität Marburg im Austausch, um hier eine für ihn geltende rechtliche Absicherung zu erhalten.
In der anschließenden Diskussion ging es um das Risiko im Graubereich zu verweilen, und ob es nicht Pflichtexemplare für Bibliotheken geben solle.
2) GameLab Siegen
Im zweiten Beitrag stellt Timo Schemer-Reinhard die Gründung einer studentischen Initiative und eines Vereins, der die wissenschaftliche Beschäftigung mit der Spielkultur zum Zwecke hat.
Dieses Vorgehen wurde aus der Situation, ein GameLab an der Universität Siegen zu etablieren, geboren, da Studierenden bessere Möglichkeiten hatten, Räume und Materialien zu bekommen und eine größere Freiheit in der (eigenständigen) Organisation hatten. So konnte ‚Playin‘ Siegen‘, ein urbanes Games-Festival, sowie die Initiative ‚USK57‘ ins Leben gerufen werden.
Die Vereinsgründung von ‚Spielkultur Siegen e.V.‘ eröffnete nochmal weiteren Zugriff auf Fördermöglichkeiten für kulturelle Angebote und private Spenden. Aktuell umfasst der Verein circa 60 Mitglieder und führte im August die ‚Krönchen Con‘ durch, eine Convention rund um die Spielkultur.
Abschluss
Zum Abschluss unseres Treffens legten wir noch das weitere Vorgehen des Netzwerks fest und stimmten darüber ab, dass wir uns zukünftig jährlich in Person treffen und zwischen diesen Treffen ein Online-Meetup abhalten, um Kosten und Aufwand zu minimieren, aber dennoch zeitnah entscheidungsfähig zu bleiben.